Tagung „Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen im Kontext Schule“

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MC

Kinderrechte für mehr Bildungsgerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt
Mobbing, Diskriminierung, Konkurrenzkampf, Ungerechtigkeiten, Disziplinprobleme – an deutschen Schulen geht es häufig nicht sehr harmonisch zu. Dass die Orientierung an den UN-Kinderrechten die Schulkultur verbessern und zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern kann, das war die Ausgangsthese der Tagung „Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen im Kontext Schule“ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), die am 3. und 4. Oktober anlässlich des 30. Jahrestags der UN-Kinderrechtskonvention in Nürnberg stattfand. Mehr als 180 Teilnehmer aus Wissenschaft, Bildungspolitik und Schulen diskutierten in neun Panels, wie die Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen in unterschiedlichen schulischen Bereichen stärker berücksichtigt werden können. Hier ging es z.B. um „Demokratiebildung“, „Mitbestimmungsrechte“, „Bildungsgerechtigkeit“, „Digitalisierung“, „Diskriminierungsfreie Schule“ und „Prävention sexuell motivierter Gewalt“.

Gute Schulen sind kindgerechte Schulen
„Gute Schulen sind menschengerechte, kindgerechte Schulen“, sagte Prof. Dr. Manfred Pirner, Hauptinitiator der Konferenz und Gründungsmitglied des Centre for Human Rights (CHREN) an der FAU in seiner Einführung. Ihre Ausrichtung an den Kinderrechten könne den Schulen wichtige Impulse für ihre Qualitätsentwicklung geben. In insgesamt 19 Workshops stellten Lehrkräfte und Schüler aus vorbildlichen Schulen Konzepte und Projekte vor, die zur Anregung für andere Schulen dienen sollten. Eine echte Lernchance für alle Beteiligten, betonte Dr. Klaus Wild vom Regionalbüro Nürnberg des Deutschen Schulpreises und der Deutschen Schulakademie, das gemeinsam mit dem Menschenrechtszentrum und der Kompetenzstelle für Schulentwicklung und Evaluation der FAU die Tagung veranstaltete. „Die Tagung stellt auch eines von vier Lernforen in diesem Jahr dar, mit denen die Deutsche Schulakademie die Kompetenz von Schulpreisträger-Schulen für andere Schulen fruchtbar machen will“, erläutert Wild. Mehrere Schulen, die den Deutschen Schulpreis erhalten haben oder dafür nominiert waren, waren bei der Tagung vertreten.

Verantwortungsfähigkeit als Ziel

„Wo mehr Vielfalt ist, da wächst der Bedarf an klaren Regeln“, stellte Prof. Jörg Maywald, Sprechers der National Coalition zur Umsetzung der Kinderrechte in seinem Eröffnungsvortrag fest. Die Menschenrechte und insbesondere die Kinderrechte empfehlen sich nach seiner Sicht in besonderer Weise als Basis für das schulische Zusammenleben. Er warb für einen Perspektivenwechsel, der mit der Orientierung an den Kinderrechten verbunden sei, nämlich von der Frage, was ein Kind braucht und wie man ihm helfen kann hin zur Frage, welche Ansprüche ein Kind hat. Er skizzierte die Entwicklung zur Kinderrechtskonvention von 1989 und ihre Auswirkungen, aber rückte auch manche Missverständnisse zurecht. So gehe es z.B. nicht darum, dass durch die Kinderrechte die Kinder den Erwachsenen „auf dem Kopf herumtanzen“; vielmehr werde durch sie gerade auch die pädagogische Verantwortung der Erziehungsberechtigten gegenüber den Kindern betont, sie bei ihrer Entwicklung zu selbstständigen und verantwortungsfähigen Menschen zu unterstützen.

Kinderrechte werden ins Grundgesetz aufgenommen
Maywald begrüßte, dass die Kinderrechte im kommenden Jahr ins deutsche Grundgesetz aufgenommen werden sollen, auch wenn es über die konkrete Textfassung noch streitbare Auseinandersetzungen auf der politischen Bühne gibt. Als aktuelle Herausforderungen benannte er die Frage nach ökologischen Kinderrechten sowie die Frage nach Kinderrechten in digitalen Räumen. Die Schule fremdle noch etwas mit Demokratie und Kinderrechten, denn sie sei traditionell eher autoritär strukturiert. Immerhin habe aber die Kultusministerkonferenz bereits 2006 gefordert, dass die Kinderrechte nicht nur in die Lehrpläne der Fächer, sondern auch in die Schulkultur der Schulen Eingang finden müssten. Das heiße, den Schülern mehr Mitbestimmung und Partizipation an schulischen Entscheidungsprozessen zu ermöglichen.

Klassenräte und Schülerparlamente als Bausteine
Wie das konkreter aussehen kann, hat Prof. Dr. Lothar Krappmann, der acht Jahre im UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes mitgearbeitet hat, in einem „Manifest“ erläutert. In seinem Vortrag stellte er dar, welche Wirkungen das Manifest bereits entfaltet hat und welche Chancen der Kinderrechte an den Schulen nach seiner Sicht noch zu wenig genutzt werden. Insbesondere hätten sich die Einführung von Klassenräten und Schülerparlamenten bewährt, in denen die Schüler eigenständig anstehende Themen besprechen. Da geht es um Disziplinprobleme und empfundene Ungerechtigkeiten bei der Notengebung ebenso wie um Konflikte mit Schülern einer anderen Klasse oder die Planung des nächsten Klassenausflugs. Bei diesen Diskussionen haben Schülerinnen und Schüler die Leitung und die Entscheidungen werden per Abstimmung getroffen – die Lehrkräfte sind nur beratend dabei und haben das gleiche Rederecht wie die Schüler in der Runde.

Schülervertreter fordern Senkung des Wahlalters und mehr Mitbestimmung in den Schulen
Bei der Eröffnungsveranstaltung und bei der abschließenden Podiumsdiskussion präsentierten auch jugendliche Schülervertreter ihre Sicht der Kinderrechte und stellten Forderungen für deren Umsetzung an den Schulen vor. Jette Nietzard vom Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e.V. und Joshua Grasmüller, Landesschülersprecher der Gymnasien in Bayern, waren vor allem kostenfreie Lernmittel, mehr Bildungsgerechtigkeit, bessere Zugänge zu Beschwerdemöglichkeiten und eine stärkere Berücksichtigung der Kinderrechte in der Lehreraus- und –fortbildung wichtig. Ministerialrat Dr. Ulrich Seiser, der bei der Podiumsdiskussion das Bayerische Kultusministerium vertrat, stimmte den Forderungen weitgehend zu und nannte es höchst unbefriedigend, dass „die Stellschrauben, an denen man drehen kann“, nur wenig Veränderung zuließen und von daher manche sinnvollen Veränderungen bedauerlich lange brauchten. Besonders betonten die Jugendlichen, dass eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre notwendig sei, um jungen Menschen mehr Gehör und Mitsprache in Politik und Gesellschaft zu verschaffen. Unterstützt wurden sie in dieser Forderung unter anderem von Margarete Bause, Sprecherin der Grünen und Obfrau des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag. Die Lobbymacht der jungen Leute und vor allem der Schüler sei in der Regel zu gering. Sie begrüßte es, dass die Schüler sich mit den Fridays-for-future-Demonstrationen mehr Gehör verschafft hätten. Mehrfach wurden die Fridays-for-future-Bewegung während der Tagung als hoffnungsvolles Signal dafür gewertet, dass die Kinder und Jugendlichen mehr Verantwortung übernehmen wollen – und dazu ihre Rechte einfordern.

Programm und Dokumentation der Tagung (mit Kurzinterviews, Vortragspräsentationen u.v.m.):
https://www.kinderrechte-tagung.fau.de/